Drei Stunden Freiheit in der Woche für die Seele…
Es ist schon ein anderes Gefühl an diesen Tagen. Ich stehe mit einem ganz anderen Gefühl morgens auf, und ich stehe den ganzen Tag unter Strom. Selbst meine Arbeitskollegen wissen mittlerweile sehr gut, dass sie mich an diesen Tagen anders anreden müssen, wie an anderen Tagen. Ich kann den Feierabend kaum erwarten und die Spannung steigt. Der ganze Körper kribbelt und der Adrenalinpegel im Körper steigt ins unermässliche.
Endlich Feierabend! Schnell nach Hause!!! Essen fassen und auf den Kumpel warten. Endlich ist er da und die Uhr tickt. Das traditionelle Ritual nimmt seinen unaufhaltbaren Lauf.
Gut eine Stunde später stehe ich auf meinem Stammplatz in der Fankurve. Ich schliesse die Augen und höre das Kratzen der Kufen auf dem Eis! Ich das peitschende Schlagen der Hockeyschläger auf dem Eis und das dumpfe Grollen des Pucks, wenn er hinter dem Tor in die Bande einschlägt und wieder zurück prallt.
Die Fankurve füllt sich und immer mehr bekannte Gesichter nehmen um mich herum ihre Plätze ein. Wie es Tradition ist seit 1988! Erst im alten Eisstadion und seit 1998 im „Henkelmännchen“ von Köln. Woche für Woche! Spiel für Spiel!!!
Die Spieler gehen vom Eis, und während die Zamboni flitzt über das Eis und bereitet die Eisfläche auf. Das Licht wird ausgeschaltet! Der übergroße Hai wird aufgeblasen und der DJ übernimmt die Arbeit des Einheizers und Einpeitschers!! Um mich herum wird das Meer der aufflammenden Wunderkerzen immer größer.
Das Vereinslied der Haie ertönt und jeder Spieler der Heimmannschaft wird von den Fans aus Eis gerufen. Es ist laut, sogar sehr laut. Die Stimmung ist aufgeheizt, und die Atmosphäre hitzig, eng und dicht.
Die Spieler des Gegners betreten unter den lauten Pfiffen der Haie Fans das Eis. Die Spieler der Starting-6 werden vorgestellt und nehmen Aufstellung am Mittelkreis. Der Hauptschiedsrichter ist bereit für das Eröffnungsbully und lässt den Puck auf den Mittelpunkt fallen.
Die Stimmung schwappt in die Fankurve und wir machen mit lauten Anfeuerungsrufen unserer Mannschaft Mut und Druck, den Weg nach vorne zu suchen, um das Tor zu erzielen.
Nach zwanzig Jahren als aktiver Goalie im Behindertenhockey sehe ich auch dieses Spiel immer noch als Torwart. Jeder Schuss, der auf das Kölner Tor fliegt, fordert meine Fanghand. Jede Lücke im Abwehrverband wird von mir Lautstark korrigiert.
Mitten im Spiel unterbricht der Schiri mit einem lauten Pfiff das Spiel und stellt einen Spieler meiner Mannschaft vom Eis!
„Schwalbe!“ schreie ich, „was kann unser Mann dafür, wenn dem andern das Eis zu glatt ist, und der sich auf die Fresse legt? Soll sich der Penner demnächst eine Hand voll Salz mitbringen!“
Und ich stehe…
Wie in Trance verfolge ich das Spiel! Die Spastik, der Rollstuhl, die Schmerzen… alle haben Pause!!!!
Die Seele hat frei. Ganze drei Stunden in der Woche…